Über die Akustik der Stadthalle, ihr Potenzial zum Klassiker und die Zukunft des Operncafés: Gespräch mit Denkmalschützer Mathias Pfeil Stadthalle: "Letztes Wort ist nicht gesprochen"

Geht noch was mit dem Großen Haus der Stadthalle? Bayerns oberster Denkmalschützer sagt ja. Im Interview mit dem Kurier sagt Generalkonservator Mathias Pfeil auch, wie man das Markgräfliche Opernhaus bespielen könnte und warum ein Museum im jetzigen Operncafé gut aufgehoben wäre. Und warum Denkmäler auch etwas für ältere Menschen sein könnten.

 
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Bayreuth mit seinen Schlössern und Opernhäusern ist so etwas wie ein Brennpunkt der Denkmalpflege. Wo in Bayreuth sind Ihre wichtigsten Objekte?

Mathias Pfeil: Das ist schwer zu entscheiden, weil ich da unterschieden müsste zwischen meiner Arbeit als Bauabteilungsleiter der Schlösserverwaltung und meiner jetzigen Funktion. Das Markgräfliche Opernhaus sehe ich natürlich als wichtig an. Die Stadtkirche, das ist vorbei, das ist erledigt, war aber lange Zeit ein Thema. Die Fragen, die sich zur Denkmalpflege stellten, wurden ausführlich zwischen allen Beteiligten diskutiert. Man ist zu einer Lösung gekommen, die ich jetzt nicht mehr hinterfrage. Die Stadthalle ist noch kein Thema, weil denkmalpflegerische Belange schlicht noch nicht diskutiert werden. Bayreuth ist eine Denkmalmetropole, in Bayreuth sitzen aber auch viele Ansprechpartner, mit denen ich mich gerne zusammensetze, etwa die Regierung von Oberfranken. Mit Bayreuths Oberbürgermeisterin Brigitte Merk-Erbe konnte ich mich schon unterhalten, wir waren ja zusammen in St. Petersburg. Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir die Sachen, die anstehen, gut klären können.

Hier ist die Stadthalle schon ein Thema. Viele Menschen stehen dem Großen Haus kritisch gegenüber. Aber ausgerechnet da soll sich nichts ändern.

Pfeil: Das ist noch nicht klar. Deswegen sind die Fragen, die die Denkmalpflege betreffen, jetzt noch gar nicht zu diskutieren. Es hängt schlicht von den Kosten ab. Ich habe mit Frau Merk-Erbe schon sprechen können. Und auch da war klar: Zunächst muss man erst mal sehen, wie groß der Aufwand ist, und ob es überhaupt gewünscht und notwendig ist, im Großen Haus viel zu ändern. Erst wenn sich die Stadt Bayreuth darüber im Klaren ist, könnten wir uns darüber unterhalten. Ob das, was man schon lange Zeit kennt, wertvoll ist oder nicht, erklärt sich nicht von selbst.

Das letzte Wort zur Stadthalle ist noch nicht gesprochen?

Pfeil: Überhaupt noch nicht. In den bisherigen Plänen ist bis auf das Kleine Haus und das Foyer kein Denkmalthema angesprochen. Sobald die Diskussionen beginnen, werden wir sie auf jeden Fall begleiten, und zwar positiv. Wir entscheiden nicht, wir beraten. Entscheiden, das tun letztlich die unteren Denkmalschutzbehörden und die Bürger.

Denkmäler sollen ja nicht nur bewahrt, sondern auch genutzt werden. Wie weit wären Sie bereit, den Bayreuthern entgegenzukommen?

Pfeil: Also, da führen wir eine fiktive Diskussion. Es ist überhaupt noch nicht klar, was passieren wird. Denkmalpflege ist schwierig, weil man zum Spagat gezwungen ist, nicht nur zwischen Nutzen und Erhalt, sondern auch zwischen bloßem Sehen und wirklichem Erkennen. Gebäude haben ihre Konjunkturen. Es kann sein, dass man sich an einem historischen Gebäude sattgesehen hat. Dann wird es abgerissen, und dann bedauert man diesen unwiederbringlichen Verlust. Was ein Gebäude einer Gesellschaft wert ist – sich dessen bewusst zu werden, dauert lange, im Grunde eine Generation lang. Ich nenne das die gesellschaftliche Prüfung. Die Ausstattungselemente der Statthalle sind für sich spannend. Da ist die Phase der Prüfung noch nicht abgeschlossen und eine Diskussion auf jeden Fall interessant. Wir wollen dabei helfen, dass es nicht soweit kommt, dass man den Wert alter Gebäude erkennt, wenn es zu spät ist. Das es dabei manchmal auch zu emotional geführten Diskussionen kommt, ist doch völlig normal.

Wenn da nun aber ein sehr bau – und abrisslustiger Oberbürgermeister käme – wie ihn Bayreuth auch schon erlebt hat…

Pfeil: Das wäre in diesem Falle sehr schade.

Und wenn der sagen würde, uns geht das Teil seit 15 Jahren auf den Nerv, wir entkernen das Ding einfach – wie würden Sie reagieren?

Pfeil: Nochmal, das ist eine fiktive Diskussion. Aber ich glaube, dass die Bayreuther diese Phase der gesellschaftlichen Prüfung erst durchmachen. Und dann müsste man ein künftiges Konzept auch auf seine Finanzierbarkeit prüfen. Ich glaube, dass akustische Verbesserungsmaßnahmen zum Beispiel kein Rausnehmen dieser Vertäfelung nahelegen. Vergleichen Sie das mal mit dem Max-Littmann-Saal in Bad Kissingen. Der gehört zu den 20 Sälen mit der besten Akustik in Europa. Und das wahrscheinlich dank seiner Holzvertäfelung. Selbstverständlich wäre es auch unter denkmalpflegerischen Gesichtspunkten gut möglich, gestalterische Anpassungen und funktionale Verbesserungen wie eine optimierte Akustik oder Beleuchtung vorzunehmen. Denkmalpflege heißt nicht Einfrieren, Anpassungen sind möglich.

Aber die Vertäfelung in Bad Kissingen ist doch um einiges schöner als die in Bayreuth.

Pfeil: Aber deswegen muss man sie ja nicht gleich rausnehmen. Man kann sie sicherlich optisch aufwerten. Man muss erst einmal unter akustischen, finanziellen und erhalterischen Gesichtspunkten beurteilen, was an den Paneelen schützenswert ist. Aber diese Diskussionen müssen wir erst noch führen. Wir stehen dafür jederzeit gerne zur Verfügung.

Im Spätsommer 2015 soll’s mit der Sanierung losgehen. Ist da noch genügend Zeit für einen Abwägungsprozess?

Pfeil: Knapp wird es bei so etwas fast immer. Aber ich denke, dass die Stadt Bayreuth gut beraten wäre, diese Fragen schnell zu klären. Es muss geplant werden, was das Projekt jetzt kostet, was man sich leisten kann. Je schneller man das beantwortet hat, desto schneller kann sich an die Diskussion machen. An uns soll es nicht liegen, wir stehen Gewehr bei Fuß. Bayreuth liegt mir am Herzen, ich kenne die Stadt schon seit meiner Zeit bei der Schlösserverwaltung gut.

Beim Markgräflichen Opernhaus stellt sich die Frage nach Nutzung und Erhalt in ganz besonderer Weise. Im Winter bespielen kann man es nicht, weil eine Heizung die Holzeinbauten ruinieren könnte.

Pfeil: Das stimmt so nicht ganz. Man zieht eine Sommerbespielung vor, das stimmt. Aber nicht die Klimaanlage oder die Dauer der Nutzung brächten das Opernhaus in Gefahr, sondern ein Ausfall der Klimaanlage. Wenn im Winter die Klimaanlage ausfiele, würde innerhalb weniger Stunden in Klimaschock über das Gebäude hereinbrechen. Dann trifft warme Luft schnell auf kalte Luft, es entsteht Tauwasser, und dieses Wasser würde die historischen Oberflächen innerhalb von ein paar Stunden zerstören. Leider kann eine Klimaanlage immer ausfallen. Außerdem: Wenn Sie eine Vollklimaanlage einbauen wollen, müssen Sie massiver in die Substanz eingreifen.

Wie lange wird man das Gebäude dann überhaupt bespielen können?

Pfeil: Das kann man nicht auf den Monat genau sagen, grundsätzlich aber in den wärmeren Monaten. So dass es zu diesem Tauwasser nicht kommen kann. Man wird sich irgendwann mit der Stadt Bayreuth einigen müssen. Die Schlösserverwaltung wird dann auch sagen müssen, welches Zeitfenster sie für machbar hält.

Unesco und Icomos haben gefordert, dass das Haus bespielt wird.

Pfeil: Das ist richtig so. Wenn Sie ein solches Theater nicht bespielen, dann wird es ein Museum. Ein so herausragendes Opernhaus nur als Museum zu nutzen, wäre ein Fehler.

Dazu wäre der Oktober ideal, so wie früher der Bayreuther Barock. Da war allerdings auch noch die robustere Bemalung über dem Holzschmuck…

Pfeil: Sie wissen, dass die ziemlich scheußlich war, dass diese Farbe 1935 Hitler zuliebe aufgebracht worden war, und dass die historische original erhaltene Bemalung sehr brutal abgewaschen wurde, um diese Bemalung in Nato-Oliv drüberzuziehen. Das Konzept der Schlösserverwaltung finde ich sehr gut.

Aber nach Ihrer Expertise – Oktober könnte doch gehen?

Pfeil: Die vertragliche Ausgestaltung, wann Winter ist und wann nicht, ist Sache der Schlösserverwaltung.

Schlösserverwaltungschef Schreiber ist in Bayreuth ohnehin im Gespräch, weil er das Redoutenhaus in ein Infozentrum umwandeln will. Doch da ist das Operncafé untergebracht.

Pfeil: Eine schöne Diskussion.

Wie sehen Sie diese Diskussion?

Pfeil: Ich finde das eine sehr schöne Idee. Und die Unesco verlangt ja auch, dass man ein solches Objekt entsprechend bewirbt. Und da bietet das Redoutenhaus schon wegen der baulichen Situation – so kann man kann von einem Gebäude ins andere gehen – eine exzellente Lösung. Wenn man dort das Opernhaus als Welterbe erläutern könnte, Ausstellungen dazu, dann fände ich das schön. Ob im Redoutenhaus dann eine reduzierte Gastronomie möglich wäre, ist zu prüfen. Ich glaube außerdem nicht, dass Bayreuth arm an Cafés ist. Das Redoutenhaus wäre der Standard, den man für ein Welterbe benötigt. Darunter zu bleiben, wäre misslich und sähe blöd aus. Letztlich gehört das Opernhaus ideell gesehen zum Bestand der Stadt und der Gesellschaft, die es so lange erhalten haben. Darum sollte man das Beste dazu tun, es zu erhalten, pflegen und erläutern. In der Tourismuszentrale wäre diese Infostelle nicht so gut aufgehoben. Sie hätten da ja auch keinen Platz für Wechselausstellungen.

Über die richtige Verwendung von Denkmälern kann man in Oberfranken trefflich nachdenken. Hier stehen sehr viele von ihnen leer. Wie lautet Ihr Konzept dafür?

Pfeil: Eine schwierige Frage. Ich habe vor, kommunale Denkmalkonzepte zu erarbeiten. Da möchte ich aber nicht zu viel erzählen, weil das Teil der Konzeption „Denkmal 2020“, die der Minister bald vorstellen wird. Um dem großen Problem leerfallender historischer Gebäude vor allem in Kernbereichen zu begegnen, muss man Menschen reinbringen. Ich denke an die große Zahl älter werdender Menschen. Dafür bietet ein Kern alles: Ambiente, kurze Entfernungen, Infrastruktur. Wenn ich es schaffe, Gebäude im Kernort so zu ertüchtigen, dass sie seniorengerecht sind, habe ich viel bewegt.

⋌Das Gespräch führte Michael Weiser

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