Prozess gegen Pottensteiner Bauunternehmer: Verteidiger kritisieren neue Zahlen Bauunternehmer-Prozess in Pottenstein: Gutachten darf nicht verwendet werden

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Die Verteidiger bemängelten das Gutachten zur Finanzsituation der Pottensteiner Baufirma, bevor dieses verlesen wurde. Foto: dpa Foto: red

Ein Vorsitzender Richter, der auf das Verhandlungsgas drückt und Verteidiger, die das neue Gutachten des Sachverständigen zerreißen, bevor dieser es überhaupt verlesen hat – so lässt sich der heutige Tag vor dem Landgericht Hof beschreiben. Zum 16. Mal standen ein Bauunternehmer aus Pottenstein und seine beiden Geschäftsführer vor der Anklage wegen verschleppter Insolvenz und versuchten Betrugs.

 
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Klaus Ehbauer, der zusammen mit Reinhard Debernitz den Hauptangeklagten verteidigt, verlas eine Stellungnahme zu dem Gutachten, das der Wirtschaftsgutachter Helmut Holter, der im Auftrag der Staatsanwaltschaft Hof die Finanzlage des Bauunternehmens feststellt, vor. Holter hatte in seinem Gutachten die Ergebnisse der Beweisaufnahme eingearbeitet und sollte dies gestern vorstellen. Den Verteidigern ging das Schriftstück vorab zu. Es gebe ein kaum nachvollziehbares Ergebnis der Beweisaufnahme, das Holter aufnehmen konnte, so Ehbauer.

Offene Forderungen nicht mit eingeflossen

Die Behauptung, die Firma konnte Anfang 2009 mit weiteren Einnahmen durch ein Subunternehmen nicht rechnen, stimmen nicht, so der Anwalt. „Wenn das die Basis für ein Urteil ist, dann ist das Gutachten unbrauchbar“, sagte Ehbauer. Im Gegenteil hätte noch eine offene Forderung in Höhe von einer Million Euro im Raum gestanden und deren Ausbleiben schließlich zur Insolvenz 2010 geführt. Auch noch offene Forderungen gegenüber der Sozialkasse Soka seien nicht mit eingeflossen. Außerdem dürfe der Gutachter die Wahrheitsgehalte der Zeugenaussage nicht beurteilen und könne somit keine exakte Überprüfung vornehmen. „Seine Feststellungen sind also nicht verwertbar“, so der Anwalt.

Nicht mit eingeflossen in das neue Gutachten sei auch nicht die Bereitschaft der Ehefrau des Hauptangeklagten, einen wirtschaftlichen Engpass durch Geldzahlungen aufzuheben. Das Unternehmen sei dementsprechend kreditwürdig gewesen und es spreche gegen die vorgeworfene Zahlungsunfähigkeit. Es gebe keine Beobachtung der allgemeinen Liquidität und somit sei kein Fahrlässigkeitsvorwurf gegeben. Zusammenfassend stellte Ehbauer für seinen Kollegen Debernitz fest, dass das Gutachten nicht für ein Urteil herangezogen werden könne.

Angebliche Zahlungsunfähigkeit

So sah es auch sein Kollege Heribert Waider, der einen der Geschäftsführer und zugleich Sohn des Hauptangeklagten, verteidigt. Das Gutachten beinhalte einen fehlerhaften Ansatz und bei der angeblichen Zahlungsunfähigkeit seien die Aktiva und Passiva nicht berücksichtigt. „Herr Holter geht von falschen Voraussetzungen aus und das Ergebnis ist falsch“, stellte Waider fest. Der Gutachter gehe von unkorrekten Fälligkeitsdaten aus und habe nicht alle Zeugenaussagen berücksichtigt. Sein Mandant habe die Zahlungseingänge sehr wohl erwarten dürfen und die Geschäftsfortführung erschien damit durchaus möglich. Eine Zahlungsfähigkeit habe bestanden, da der finanzielle Engpass behoben werden konnte. „Es lagen keine Insolvenzgründe vor“, so der Anwalt.

Holter überschreite seine Kompetenz, wenn er behaupte, die Krise sei absehbar gewesen. Auch Waider sprach die offenen Ansprüche gegenüber der Sozialkasse Soka sowie die finanzielle Unterstützung der Ehefrau des Hauptangeklagten an, die nicht berücksichtigt wurden. Des Weiteren bleibe der Verkauf einer Immobilie in Speichersdorf unerwähnt, bei der angeblich Vermögensmasse beiseitegeschafft wurde. Schließlich habe Holter in seinem Gutachten nicht die Zahlungseingänge nach Februar 2010 beachtet.

Aussagen zugrunde legen

Richter Matthias Burghardt gab wiederholt zu bedenken, dass das Gericht die Beweisaufnahme prüfen werde. Der Gutachter habe eine Gesamtaufstellung machen sollen, aus der man jederzeit die eine oder andere Zahl herausnehmen könne. „Das können wir selber mit einem Taschenrechner“, so der Richter. Holter sei aufgefordert gewesen, in seinem Gutachten die Zeugenaussagen zugrunde zu legen.

In seinem neuen Gutachten hatte Holter festgestellt, dass trotz der Beweisaufnahme eine erkennbare Unterdeckung bereits im November 2009 bestanden habe. Das Gesamtergebnis der im ersten Gutachten getroffenen Feststellungen ändere sich nicht. Bereits einen Monat zuvor sei das Unternehmen aus betriebswirtschaftlicher Sicht nicht mehr in der Lage gewesen, fälligen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Ende Oktober lag die Summe der verfügbaren Mittel bei rund 3,12 Millionen Euro, Ende Januar 2010 bei 1,37 Millionen Euro. Die Unterdeckung bei den fälligen und fällig werdenden Verbindlichkeiten habe Ende Oktober 2009 bei 1,63 Millionen Euro (34,26 Prozent) gelegen. Sie sei bis Ende Januar 2010 auf 3,36 Millionen Euro (71,06 Prozent) gestiegen. Aus den vorhandenen Unterlagen habe es keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass die vorhandene Liquiditätslücke geschlossen werden könne, so Holter. Der Verteidiger habe keine nachvollziehbaren Gründe gebracht, dass die tatsächliche Insolvenzreife der Firma durch die Geschäftsführer erkennbar war.

Es hat Mängel gegeben

Zu Beginn des gestrigen Verhandlungstages hatte ein ehemaliger Bauleiter, der jetzt in Plech arbeitet, von seiner Tätigkeit bei der Baufirma berichtet. Er habe bei Projekten in München mitgewirkt und von offenen Geldforderungen der Handwerker gehört. Er habe dies ab und zu gegenüber dem Hauptangeklagten angesprochen, könne aber selber nichts zu den tatsächlich ausbezahlten Summen sagen. Bei den Abnahmen habe es manchmal Mängel gegeben, die er dann entsprechend aufgenommen habe. Diese seien nicht immer behoben worden.

Zum Ende der gestrigen Verhandlung kam es zu einiger Diskussion über die weiteren Termine. Richter Burghardt mahnte an, dass der Prozess bis Mitte/Ende September zu Ende gehen müsse, da er ja schon seit April laufe. Am 14. September soll nun die Beweisaufnahme abgeschlossen, am 17. September die Plädoyers gehalten und am 25. September schließlich das Urteil gesprochen werden.

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