Ulvi Kulacs Verteidiger wirft Ermittlern schlechte Arbeit vor Fall Peggy: "Da kommt der Euler"

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Uliv Kulacs Anwalt Michael Euler vor dem Landgericht Bayreuth. Foto: Wittek Foto: red

Am meisten interessiert hat ihn diese Frage: „Warum hat der Bursche das gestanden?“ Michael Euler, „noch 33“, Rechtsanwalt, ist im Moment wohl einer der bekannteren Rechtsanwälte hierzulande. In vielen Zeitungen fällt sein Name, auch in den bunten. Er wird als derjenige in Erinnerung bleiben, der es geschafft hat, dass der Prozess des bisher als Mörder der neunjährigen Peggy verurteilten Ulvi Kulac (37) nochmal aufgerollt wird. „Warum hat der Bursche das gestanden?“

 
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„Den Ulvi“ zu verteidigen steigert den Bekanntheitsgrad. Wenn er im Gericht auftaucht, kann es schon vorkommen, dass sie sagen, „da kommt der Euler.“ Aber es bringt auch eine Menge Arbeit. Seit drei Jahren hat er mehr als 14 000 Seiten Ermittlungsakten durchgelesen, dazu kommen die neuen Vernehmungen der alten Zeugen. Daneben hat er satte 1000 Seiten selbst geschrieben. Bis in kleinste Verästelungen hat er all das aufgelistet, was seiner Ansicht nach falsch gelaufen ist in den Ermittlungen nach Peggys Verschwinden im Mai 2001. Und jetzt sitzt er in seinem Frankfurter Büro, telefoniert den letzten Kleinigkeiten hinterher und stellt sich immer wieder diese Frage: „Warum hat der Bursche das gestanden?“

Eulers Telefone auf dem schwarzen Schreibtisch gehen andauernd. Im Regal stehen Aktenordner, an der Wand hängt so was wie modernere Kunst – ein typischer Anwalt eben in einer typischen Kanzlei. Die Adresse könnte feiner nicht sein, mitten in der Goethestraße in Frankfurt, Bank an Bank, Kanzlei an Kanzlei, dazwischen Nobelgeschäfte von Gucci bis Prada. Und oben im sechsten Stock der Euler. Er weiß, die Lage ist alles, der Name macht viel, auch der Name des Klienten.

„Die machen den Ulvi zum Mörder“, sagt Euler und meint die Ermittler der Sonderkommission II, jener Polizisten, die vom damaligen Innenminister Günter Beckstein (CSU) dafür eingesetzt wurde, das Verschwinden von Peggy aufzuklären. „Die ermitteln und haben nur den Ulvi vor sich sitzen, die Soko II“, sagt Euler. „Weil sie nichts anderes haben.“ Was nicht ganz richtig ist: Denn sie hatten Ulvi K.lacs Geständnis, jenes Geständnis, das Euler bis heute nicht versteht. Wäre er der Anwalt gewesen, es hätte den Fall Ulvi nicht gegeben. Er hätte seinem Mandanten befohlen, überhaupt nichts zu sagen. „Weswegen hätte man ihn dann verurteilen können?“

Ulvi wird deshalb in seinem Wiederaufnahmeverfahren vor allem eins: schweigen. Reden wird nur einer: Euler. Und er freut sich drauf. Auf Susanne Knobloch, die Mutter der kleinen Peggy. „Die weiß was.“ Auf ihre angeblichen Widersprüche in den Aussagen. „Die lügt.“ Schonen wird er Susanne Knobloch nicht, zu viel sei ungeklärt: Finanzen, Anrufe, Beziehungen, das Verhalten nach dem Verschwinden. „So verhält sich keine Mutter, die ihr Kind vermisst.“

Vor den Fenstern seines Büros stehen ringsum die hohen Bauten der Banken-Stadt Frankfurt, riesige Türme aus Glas mit Firmenzeichen drauf. Dort sitzt das Geld, dort sitzen Leute, die nicht knausern müssen, wenn sie einen Anwalt brauchen. Ist das eigentlich schon der Prozess seines Lebens? „Nein“, sagt er, aber der medienwirksamste auf jeden Fall. Schon mal bereut? „Nein.“

Die Masse an Akten kennt er aus Wirtschaftsstrafverfahren, zum Beispiel beimKapitalanlagebetrug. Da sind es noch mehr Seiten. Aber die müsse man nicht unbedingt alle gelesen haben als Anwalt. Letztlich seien solche Fälle strukturidentisch – „kennt man eine Akte, kennt man alle“. Bei Insolvenz-Verschleppungen kommen „Lastwagenladungen“ mit Akten an. „Da interessiert aber letztlich oft nur, was sagt der Wirtschaftsprüfer.“

Aber „sein“ Fall ist ein anderer. „Das ist ein Tötungsdelikt, auch kein einfach strukturiertes.“ Ein geistig Behinderter, der sich bei der Polizei um „Kopf und Kragen redet“, in Dutzenden Vernehmungen, der sich immer tiefer in etwas hinein manövriert habe. Was er nicht überblickt. „Was aber auch im Hinblick auf die Polizei-Arbeit sehr schwer wieder aufzulösen ist.“ Eine nette Umschreibung dafür, dass Euler den Beamten schlicht eine schlechte Arbeit vorwirft. Er bleibt diplomatisch: Es habe „viel Manipulatives der Polizei“ gegeben. Und alles, was den Ulvi hätte entlasten können, sei von der Polizei zunichte gemacht worden. Eulers Fazit: „Sie haben ein Verfahren, wo sie das nicht glauben können, was sie lesen.“ Polizisten, die dem Ulvi das Geständnis schlichtweg eingeredet hätten.

Deswegen freut Euler sich auch auf Hans-Ludwig Kröber, dem er die Mängel in seinem Gutachten „um die Ohren hauen“ will. Kröbers Gutachten war ausschlaggebend dafür, dass Ulvi 2004 wegen Mordes verurteilt worden war. Er hielt das Geständnis des minderbegabten Mannes für glaubwürdig. Aber auch ihn habe die Polizei getäuscht, sagt Euler. „Das kann ich nachweisen.“
Reich wird Euler mit Ulvi nicht. Er kriegt nur das karge Pflichtverteidigerhonorar. Das Geld kommt mit den Fällen im Wirtschaftsstrafrecht und im gewerblichen Rechtsschutz. Unlauterer Wettbewerb, Urheber- und Markenrecht. Studiert hat Euler in Mainz, er war von Anfang an selbstständig, nie angestellt. Auf ihn gestoßen ist Gudrun Rödel (66), Ulvis Betreuerin. Das war in einem Internet-Forum. Und irgendwann hat Euler sich dann diese Frage gestellt: „Warum hat der Bursche das bloß gestanden.“

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