Studiobühne: Erfüllung jedes Theatermenschen

Von Michael Weiser
Harte Arbeit für die Reise ins Mittelalter: Maskenbildnerin Lore Maßler in Action. Foto: Birgit Franz Quelle: Unbekannt

BAYREUTH. Die Studiobühne steuert auf den blutigen Höhepunkt des Theatersommers zu: Ab 19. Juli zeigt die Bayreuther Truppe "Macbeth", im Ruinentheater von Sanspareil.

 
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Doch, doch, es gab tatsächlich mal eine Zeit, in der Shakespeare nichts mehr galt. Ein halbes Jahrhundert nach seinem Tod durfte der Historiker und Altertumsforscher Thomas Rymer urteilen: „Ein Affe versteht sich besser auf die Natur und ein Pavian besitzt mehr Geschmack als Shakespeare.“

Das hat sich sich seitdem geändert und sogar ins Gegenteil verkehrt, die Geringschätzung ist fast unbegrenzter Wertschätzung gewichen. Shakespeare liefert den großen Bühnen den Standartstoff und den kleinen gelegentliche Bravourstücke. „Shakespeare ist die Erfüllung für jeden Theatermenschen“, sagt Birgit Franz von der Studiobühne Bayreuth, „sei es im Komödienfach, sei es mit Tragödien.“

Und das gerade deswegen, weil's im Theater anders läuft als im Fußball. Gehen die Leute zum Rasensport, „weil sie nicht wissen, wie es ausgeht“ (Sepp Herberger); zieht es sie zu Shakespeare, dann deswegen, weil sie ahnen, um was es geht: um Macht, die stets alle in ihrem Bannkreis zerstört. Macht korrumpiert, absolute Macht korrumpiert absolut. Sie schützt einen aber nicht vor Gewissensbissen...

Und so freut sich Birgit Franz auf ihren Shakespeare im Allgemeinen und auf den „Macbeth“ im besonderen, den sie mit ihrer Truppe ab 19. Juli ins Felsentheater von Sanspareil bringt. Denn da geht es richtig ab, da läuft die Selbstzerstörungsmaschinerie nach einem besonders einfallsreichen Programm ab. Macbeth beginnt ja nur als handelsüblicher Ehrgeizling.

Von seiner Frau angestachelt, greift er nach der Macht; im Besitze derselben erweist er sich als so brutaler wie seinerseits getriebener Verbrecher. Auch vor dem Mord an Frauen und Kindern schreckt er nicht zurück, er mordet die Familie Macduffs, der sich durch Flucht seinen Erzfeinden entzogen hat. Beide, Lady Macbeth und der Tyrann, verteidigen lange ihr Macht, scheitern dann aber doch. Und taumeln in den Wahnsinn.

„Shakespeare ist so unglaublich stark, weil man das Gefühl hat, die Geschichten sind zwar vor 400 Jahren geschrieben, aber leider oder gottseidank heute noch immer gültig“, sagt Birgit Franz. „Man entdeckt doch auch heute immer mehr Leute an der Spitze, die ihre Macht missbrauchen.“ Birgit Franz hat das Personaltableau des Fünfakters von über 30 auf 24 verringert, verteilt auf acht Darsteller, mit Sigurd Sundby als Macbeth (zuletzt als Saladin im „Nathan“ zu erleben) und Claudia Iberle als Lady Macbeth (zuletzt in der Titelrolle der Iphigenie). Was die Studiobühnen beim Proben erleben, ist die Dynamik des Machtspiels, wie die Maschine mehr und mehr Fahrt aufnimmt, um sich am Ende in ihre Einzelteile zu zerlegen.

„Was wir beim Proben feststellen: Macbeth überholt im Laufe des Dramas an Rücksichtslosigkeit selbst seine Lady Macbeth.“ Die Studiobühne führt Shakespeares vielleicht blutigstes Drama in Sanspareil auf, wo die Nachwelt der Markgräfin Wilhelmine ein Ruinentheater verdankt, das durch sein kunstvoll rohes, mit Sorgfalt in den Stand eines Überbleibsel überführtes Mauerwerk nach Franz Ansicht den idealen Rahmen für den Stoff aus dem 11. Jahrhundert bildet. Ein eigenartiger Platz, eine Erinnerung an eine Frau, die Macht ge- und nicht missbrauchte. „Wilhelmine hat halt kein blutiges, sondern ein kreatives Regiment geführt.“

Den wilden Eindruck unterstreicht Marianne Heide, die für die mittelalterlich anmutenden Kostüme zuständig ist. Die Schauspieler lassen sich bereits seit längerem Haupthaar und – soweit vorhanden – Bart wachsen, damit Lore Maßler mit der Maske nicht zu viel Arbeit damit hat, dem Spiel Züge von „Game of Thrones“ zu geben.

Atmosphäre ist alles, deswegen ist auch ein Musiker auf der Bühne: Roland Kropf, der die Handlung an der Percussion illustriert. „Eigentlich haben wir das Mittelalter wieder hervorgeholt“, sagt Birgit Franz. Was das Äußere betrifft, wohlgemerkt, denn der Text ist in der Übersetzung von Schiller zu hören, leicht modern abgewandelt. Vor allem hat Franz so manches Selbstgespräch im monologreichsten Stück von Shakespeare in einen Dialog umgewandelt.

So gewinnt, meint Franz, das Ganze noch an Zeitlosigkeit. Auf einmal geraten Macbeth und Gattin ganz trivial zusammen. „Das könnte auch in einem modernen Wohnzimmer spielen.“

INFO: "Macbeth", Tragödie von William Shakespeare, Regie Birgit Franz, Premiere am 19. Juli in Sanspareil, 24, 16., 28. Juli, 1., 3., 4., 8., 9., 11., August, jeweils 20 Uhr.

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