Neujahrsempfang von Erzbischof Schick erstmals in Bayreuth "Religiosität verschwindet nicht"

Von Elmar Schatz
Festredner beim Neujahrsempfang 2016 von Erzbischof Ludwig Schick: Professor Dr. Armin Nassehi, Inhaber des Lehrstuhls I für Soziologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Fotograf Peter Kolb Foto: red

Trotz rasanter Entkirchlichung besteht Hoffnung für die Kirchen; denn spirituelle Sehnsucht vergeht nicht, Religiosität verschwindet nicht, so der Münchner Soziologe, Professor Armin Nassehi, beim Neujahrsempfang des Bamberger Erzbischofs Ludwig Schick am Samstag - der erstmals in Bayreuth, im Audimax der Universität, stattgefunden hat.

 
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"Die Kirchen sind Adressen", sagte der Soziologe. Wie aber können sie fern stehende Menschen  erreichen? Nassehi meint: "Räume anbieten, in denen die Leute etwas tun können - und im Nachhinein merken, dass sie eigentlich schon drin sind."

"Religion ist nicht alles", sagte der Erzbischof, das überraschte aus seinem Munde. Nassehi erklärte: "Zu sagen, Religion ist nicht alles, hört sich auf den ersten Blick so an, als wäre es ein Rückzugsgefecht." Es sei jedoch das Gegenteil - "nämlich die Bedingung dafür, dass Religiosität in der modernen Gesellschaft überhaupt funktionieren kann".

Wissen über Kirche, "da wird man blass"

Der Einzelne lasse sich immer weniger durch die Kirche beeinflussen. Wenn man höre, wie wenig sogar der Kirche Nahestehende noch über deren Lehre wissen, "dann wird man blass". So sei der Glaube an Reinkarnation (Wiedergeburt) bei kirchennahen Menschen größer als bei kirchenfernen.

Auf die Religion komme der Mensch vor allem in den Momenten der Unbestimmtheit, etwa beim Sterben, so Nassehi. In Situationen, in "denen wir nicht sofort klare und eindeutige Antworten kriegen". Kirchen seien dann gefragt, wenn Unbestimmtheit herrscht.

Zwar glaubten viele Menschen, auf Religion verzichten zu können, die Gesellschaft ingesamt tue das aber nicht. Geradezu religiöse Riten blieben sogar in Regimen erhalten, die angetreten seien, Religion abzuschaffen. Nassehi erinnerte an die SED, die die Jugendweihe hochgehalten hat.

Kirche will Akteur für das Gemeinwohl bleiben

Schick sagte, die Kirche wolle weiter "Akteur in der Gesellschaft für das Gemeinwohl sein". Deshalb begleite sie die Politik und den Staat mahnend und kritisch.

Um der Familien willen halte die katholische Kirche an der Unauflöslichkeit der Ehe fest - nicht "an irgendeiner Institution", sondern an Werten wie Treue, Verlässlichkeit, Geduld und beständiger Liebe. "Damit schließen wir aber nicht andere Lebensformen einfach aus", sagte der Erzbischof. "Ohne Familie ist kein Staat zu machen und auch keine Kirche."

Der Erzbischof dankte den Menschen, die gegenwärtig Flüchtlingen helfen. Die Ehrenamtlichen kämen zum großen Teil aus den Kirchen. Er würdigte den Dienst der Polizei, der nicht einfach sei.

Schick sagte: "Die Gleichgültigkeit ist der größte Feind der Zukunft. Wir brauchen Hoffnung und Engagement; nur so gewinnen wir die Zukunft."

21 000 Kinder in katholischen Kitas

Schick hatte eingangs das Engagement der katholischen Kirche im Erzbistum Bamberg erwähnt: In 380 Kitas werden 21 000 Kinder betreut; alte und kranke Menschen leben in 32 kirchlichen Seniorenheimen und Hospzien. Acht Schulen in katholischer Trägerschaft haben rund 3000 Schülerinnen und Schüler; die Nachfrage übersteige hier das Angebot. Zu rund 7800 kirchlichen Beschäftigten kämen noch 10200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Caritas.

"Wir horten kein Geld und haben keine Spekulationsobjekte"

Zu den Gebäuden sagte der Erzbischof: "Wir möchten unsere Kirchen erhalten." Er versprach Offenheit bei den Finanzen, und betonte: "Wir horten kein Geld und haben keine Spekulationsobjekte." Rücklagen seien für die Altersversorgung der Mitarbeiter sowie die Bauerhaltung der Häuser da. Schick: "Schulden haben wir nicht und machen wir nicht." Geld sei eine große Macht und eine große Versuchtung, es solle aber zum Gemeinwohl beitragen.

Bürgermeisterin Kuhn dankt dem Verein "Bunt statt Braun"

Die Bayreuther Bürgermeisterin Beate Kuhn (SPD) sagte in Vertretung von Oberbürgermeisterin Brigitte Merk-Erbe (BG) in ihrem Grußwort, sie wolle "gerade hier, beim Neujahrsempfang des Erzbistums, dem Verein "Bunt statt Braun" und insbesondere der Caritas für die engagierte Flüchtlingssozialbetreuung in Bayreuth herzlichen Dank sagen".

Universitätspräsident Professor Stefan Leible sagte: "Ich glaube, dass in unserem Land alle gut zusammenleben können, wenn wir uns von Respekt, Toleranz und Neugierde leiten lassen."

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