Radreifen als Ursache
Ursache war ein so genannter Radreifen, dessen Belastungsgrenze falsch eingeschätzt wurde und der den Kräften im Hochgeschwindigkeitsverkehr nicht gewachsen war. Er sprang ab – und löste dann eine verhängnisvolle Kettenreaktion aus, die in der Entgleisung des Zuges an einer Weiche vor der Straßenbrücke in Eschede endete.
Mit der neuartigen Konstruktion hatte die Bahn versucht, ein lästiges und unkomfortables Brummen der Waggons bei hohen Geschwindigkeiten zu vermeiden. Die Führungsetage der Deutschen Bahn unter dem bis 1997 amtierenden Bahnchef Heinz Dürr hatte sich eine rasche Lösung gewünscht.
Erschütternde Einzelschicksale
Die Geschichte von Heinrich Löwen, später Sprecher und Initiator der Opferinitiative macht an einem Beispiel begreiflich, was Eschede für Überlebende und Hinterbliebene bedeutete: Der Mann, der damals im bayerischen Vilshofen lebte, verlor bei dem Unfall seine Frau Christel (50) und seine Tochter Astrid (26) , die sich nach langem einen Urlaub in Hamburg gönnten. „Wir nehmen die Bahn, das ist sicherer“, hätten sie vor der Abfahrt gesagt, so erzählte Löwen.
Am dritten Tag nach dem Unglück bekam er die Nachricht, dass seine Tochter zu den Toten gehörte, drei weitere Tage danach erhielt er dieselbe bittere Nachricht über seine Frau. Löwen blieb zurück mit einer weiteren, schwerbehinderten Tochter und einem damals 16-jährigen Sohn.
Bahn zeigte sich unsensibel
Aber schockierend erscheint aus heutiger Sicht auch das, was danach passierte: Die Deutsche Bahn leugnete ihre Verantwortlichkeit und provozierte mit einem angebotenen Schmerzensgeld von 30 000 Mark. Die höheren Etagen des Bahnmanagements wurden niemals angeklagt, ein Prozess gegen drei verantwortliche Ingenieure, der sich im Gutachterstreit verhedderte, endete fünf Jahre später ohne Urteil.
Die Bahn zog durchaus Konsequenzen: Zulassungsregeln, Sicherheitsmargen und Wartungsintervalle sind teils viel strikter als vor 25 Jahren. Und man hat auch darauf verzichtet, noch einmal die damalige Radkonstruktion zu nutzen, sondern sorgt mit einem hohem Aufwand bei der Wartung für den erwünschten Fahrkomfort. Allerdings brach Anfang Juli 2008, fast exakt zehn Jahre nach Eschede, bei Köln eine Achse bei einem ICE – zum Glück bei niedriger Geschwindigkeit. Die Bahn musste tausende Radsätze austauschen.
Zäsur bei Umgang mit Katastrophenopfern
Doch Eschede setzte am Ende auch eine Zäsur für den Umgang mit Opfern von solchen Katastrophen. Die Hinterbliebenen organisierten sich in einer Selbsthilfegruppe, die auch noch nach dem Scheitern der juristischen Aufarbeitung den Druck auf die Deutsche Bahn aufrecht erhielten.
Und so kam es dann zum fünfzehnten Jahrestag des Unglücks zum ersten Auftritt eines Bahnchefs auf der jährlichen Gedenkfeier an der 2001 eröffneten Gedenkstätte. Die offizielle Entschuldigung des damaligen Bahnchefs Rüdiger Grube empfanden die Angehörigen als eine späte Genugtuung.
Gedenkfeier mit Bahnchef und Verkehrsminister
Und so werden nach einem Vierteljahrhundert zur Gedenkfeier am Sonntag der heutige Bahnchef Richard Lutz und Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) kommen. Auch für die Deutsche Bahn bleibt es ein Trauertag. Züge werden die einstige Unglücksstelle für einige Stunden nur langsam passieren. Und in Stuttgart wird man die auf diesen Samstag fallende Fertigstellung der letzten Kelchstütze im künftigen Hauptbahnhof nur leise begehen.