Frauenfußball kommt wirtschaftlich nur in kleinen Schritten voran Warum es Frauen im Mannschaftssport schwer haben

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Alles ein paar Nummern kleiner: Das Endspiel in der Champions League der Frauen wurde in diesem Jahr zwar in Berlin ausgetragen, aber nicht im Olympiastadion. Im beschaulichen Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark erlebten 17.147 Zuschauer mit, wie der FFC Frankfurt durch diesen Treffer von Mandy Islacker (rechts im schwarzen Trikot) mit 2:1 gegen Paris Saint-Germain gewann. Foto: dpa Foto: red

Es scheint ein Naturgesetz zu sein, an dem sich selbst in der Hochzeit des Bemühens 
um Geschlechter-Gerechtigkeit offenbar kaum jemand stört: Im Mannschaftssport werden Frauen weniger respektiert 
als Männer, und zwar nicht nur von Medien und Sponsoren, sondern auch von den zahlenden Zuschauern. Ist Frauen-Mansschaftssport Sport zweiter Klasse?

 
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Eigentlich ist Fußball gar kein so gutes Beispiel. Schließlich dürfte das selbst in WM-Zeiten die einzige Sportart sein, in der das öffentlich-rechtliche Fernsehen mitten in der Nacht Spiele zwischen Frauen-Teams aus Kanada und Neuseeland oder Australien und Nigeria live überträgt.

Im Vergleich zur mitunter grotesk anmutenden Medien-Hysterie bei den Männern ist es aber auch hier nicht anders als in anderen Mannschaftssportarten: Die Frauen führen ein Schattendasein. Und natürlich findet man im Fußball am leichtesten einen Experten für die Frage, warum das so ist. In diesem Fall ist es Kristoff Reichel, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl Sportwissenschaft II der Universität Bayreuth.

Noch nie war das Interesse so groß

Der 29-jährige Diplom-Sportwissenschaftler befasst sich seit längerem intensiv mit der wirtschaftlichen Betrachtung des Frauenfußballs. Seine grundsätzliche These klingt positiv: „Noch nie war das Interesse an der Nationalmannschaft der Frauen so groß, wie in den letzten Jahren.“

Als Beleg nennt er die Weltmeisterschaft 2011 in Deutschland, als das Viertelfinale zwischen den Gastgeberinnen und Japan bis zu 17 Millionen Zuschauer vor die Fernseher lockte. Auch die aktuellen Einschaltquoten mit sechs bis sieben Millionen Zuschauern bei den WM-Spielen in Kanada seien zu den nächtlichen Sendezeiten sehr beachtlich.

„Wenn man dem gegenüber stellt, dass beispielsweise das entscheidende fünfte Spiel um die Deutsche Basketball-Meisterschaft der Männer überhaupt nicht öffentlich-rechtlich übertragen worden ist, dann steht die Fußball-Nationalmannschaft der Frauen also gar nicht so schlecht da“, sagt Reichel, allerdings mit einer bezeichnenden Einschränkung: „Das gilt für den Vergleich mit den Männern in allen anderen Sportarten – außer Fußball.“

Von "Boom" kann keine Rede sein

Gemessen an den Milliarden-Geschäften im Zusammenhang mit den Übertragungsrechten für die Spiele der Männer in der Bundesliga oder Champions League, spielen die entsprechenden Wettbewerbe der Frauen nämlich nach wie vor eine kaum wahrnehmbare Rolle. „Es gibt einen Entwicklungsprozess, punktuell auch mit kleinen Meilensteinen“, sagt Reichel mit Hinweis auf die Vermarktung der Frauen-Bundesliga an einen Namenssponsor (Allianz) und an regelmäßige Übertragungen von Ligaspielen sonntags bei Eurosport mit respektablen Zuschauerzahlen von 200.000 bis 300.000.

„Aber mit Begriffen wie ,Boom’ sollte man aufpassen.“ Die Zuschauerresonanz in den Stadien der Frauen-Bundesliga (ähnlich wie übrigens auch die Zahl der aktiven Spielerinnen) steige nur noch „sehr moderat“: „Man kann fast von Stagnation sprechen.“ Die Gesamtzahl der Besucher an den 22 Spieltagen der zwölf Erstligisten beziffert Reichel auf rund 150.000: „Zu Spitzenspielen der vier dominierenden Mannschaften kommen schon mal 12.000 Zuschauer. Es gibt aber auch Spiele mit kaum 300.“

Kaum Vollprofis im Frauenfußball

Diese Zahlen sind sicher einer der Hauptgründe dafür, dass sich die Einkommen von Spielern und Spielerinnen in vollkommen unterschiedlichen Welten bewegen. Während sich in der Männer-Bundesliga selbst mit einem Stammplatz auf der Auswechselbank kaum jemand mit einem Einkommen von weniger als einer Million Euro pro Jahr zufrieden gibt (was in der Frauen-Bundesliga schon als Gesamtetat für einen Verein ohne Abstiegssorgen ausreicht), sind weibliche Vollprofis eine Ausnahme.

„Die meisten Bundesligaspielerinnen haben eine Nebenbeschäftigung, sei es Studium oder Halbtagsjob“, sagt Reichel. Nur bei den vier Topclubs könne man vom Sport leben, „aber ohne etwas zurücklegen zu können“: „Die Nationalspielerinnen verdienen bis zu 100.000 Euro, einige auch noch mehr.“ An die mehrfache Weltfußballerin Marta aus Brasilien, die in Schweden 500.000 Dollar pro Saison verdienen soll, reiche in der Bundesliga aber niemand auch nur entfernt heran.

Doch woran liegt das denn nun? Eine Grafik auf dem Schreibtisch von Kristoff Reichel zeigt einen Kreislauf, der von steigenden Zuschauerzahlen über mehr Interesse von Medien und Sponsoren zu weiter steigenden Zuschauerzahlen führt.

„Man kann den Kreislauf aber auch an jedem anderen Punkt beginnen lassen“, sagt der Wissenschaftler. Daraus folgt, dass auch von jedem Punkt ein Impuls für die Entwicklung ausgehen kann. „Hilfreich ist dabei, dass mehr und mehr Männer-Bundesligisten auch den Frauenfußball fördern“, sagt Reichel mit Blick auf die weiblichen Teams von Bayern München und VfL Wolfsburg, die zusammen mit den traditionsreichen reinen Frauen-Vereinen FFC Frankfurt und Turbine Potsdam die deutsche Spitzengruppe bilden (auch TSG Hoffenheim, Bayer Leverkusen, SC Freiburg und MSV Duisburg sind vertreten).

Gemeinsame Meisterfeier beim FC Bayern

Die öffentliche Debatte um politisch korrekten Umgang mit Geschlechterrollen könne diese Entwicklung durchaus bestärken: „So etwas wird gesellschaftlich mehr und mehr erwartet“, sagt Reichel im Zusammenhang mit der gemeinsamen Meisterfeier von Männern und Frauen beim FC Bayern.

Grundsätzlich ist der Wissenschaftler allerdings kein Anhänger von politisch verordneter Geschlechtergerechtigkeit. Obwohl er selbst gern hochklassige Frauenspiele anschaue („Das Kombinationsspiel und die technischen Fähigkeiten bei Spitzenspielen sind klasse.“), betrachte er das Thema „rein ökonomisch und rational.“ Erzwungene Gleichheit wie etwa bei den Preisgeldern von großen Tennisturnieren sieht er daher nicht ohne Skepsis: „Durch die Vermarktungsmöglichkeiten ist das nicht gedeckt.“

Frauenfußball muss an Attraktivität arbeiten

Wichtiger sei es, dass der Frauenfußball selbst an seiner Attraktivität arbeite: „Die physischen Voraussetzungen von Männern und Frauen sind nun mal unterschiedlich, und das wird auch in 100 Jahren noch so sein. Wichtig ist, dass sich der Frauenfußball eigenständig positioniert und sich realistische Ziele setzt.“

"Auch Cristiano Ronaldo steht lange vor dem Spiegel"

Als Beispiel nennt er eine stabile Entwicklung zu ausgeglichenerem Leistungsniveau in der Bundesliga und auch im internationalen Vergleich. Dabei antwortet Reichel elegant auf die Nachfrage, ob mit „Attraktivität“ auch die typisch weibliche gemeint sein kann – konkret: Ist es als Vermarktungsmodell für Sportlerinnen vertretbar, dass ihnen eine Obergrenze für die mit Textilien bedeckte Hautfläche vorgeschrieben wird wie im Beachvolleyball? Oder dass sie sich für Männermagazine fotografieren lassen? „Auch Weltfußballer Cristiano Ronaldo verbringt viel Zeit vorm Spiegel“, sagt Reichel. „Für seine Spielweise spielt das keine Rolle, aber für seine Möglichkeiten als Werbeträger sehr wohl.“

Einzelsportlerinnen haben es besser

Das Problem der Fußballerinnen kennt man in anderen Sportarten ganz genau so: Weder im Handball noch im Basketball finden die weiblichen Aktiven auch nur annähernd so viel Aufmerksamkeit bei Zuschauern, Medien und Sponsoren wie ihre männlichen Kollegen.

Während die Bundesligen der Herren im Fernsehen zumindest bei Spartensendern regelmäßige Sendezeiten haben, wird bei den Damen bestenfalls über die Nationalmannschaften berichtet – und auch das meist erst, wenn sie sich für Weltmeisterschaften oder Olympische Spiele qualifiziert haben.

Da die Basketballerinnen von der Weltelite noch ein Stück weiter entfernt sind als die DHB-Damen, steht es um ihre Präsenz noch schlechter. TV-Schelte ist allerdings unangebracht: Es lässt sich nicht leugnen, dass auch in dieser Zeitung stets die aktuellen Tabellen der Männer-Bundesligen zu finden sind – die der Damen aber nicht.

Volleyball als Vorreiter

Besser fällt die Bilanz im Volleyball aus. In dem Mannschaftssport mit der gleichmäßigsten Verteilung der Aktiven auf Damen und Herren sind auch die Fernsehzeiten ziemlich gerecht auf beide Geschlechter verteilt. Das gilt zumindest bei internationalen Spielen sogar für Vereinsteams (hauptsächlich im Pay-TV). Dabei kommt es den Volleyballerinnen vermutlich entgegen, dass ihre Spiele mit den längeren Ballwechseln von manchem Zuschauer sogar als attraktiver empfunden werden.

Solche Stimmen gibt es auch im Tennis, wo die Gleichberechtigung von Frauen und Männern bis zum einheitlichen Preisgeld bei Grand-Slam-Turnieren reicht. Womit wir bei den Einzelsportarten wären, wo sich das Problem anscheinend gar nicht stellt: Leichtathletik, Schwimmen, Skisport aller Art – da gibt es bei der Popularität von gleichermaßen erfolgreichen Damen und Herren kaum einen Unterschied.

Eine wissenschaftlich abgesicherte Erklärung hat Kristoff Reichel dafür nicht, aber durchaus eine persönliche: „Eine Ski-Abfahrt ist bei den Damen nicht weniger spannend als bei den Herren. Dass sie eine Sekunde langsamer ist, merkt man ja nicht.“

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