Krankenpfleger aus Kulmbach und Tochter eines Betroffenen berichten Krankenhauskeime: "Deutschland ist zu sorglos"

Von Peter Rauscher
Vorsicht Keimgefahr: Eine Krankenpflegerin am Klinikum Bayreuth legt sich Schutzkleidung an. Foto: Harbach Foto: red

Durch multiresistente Keime werden offenbar mehr Menschen krank als bisher angenommen. Ein aus Kulmbach stammender Krankenpfleger kritisiert die Sorglosigkeit in Deutschland.  Die Tochter eines Betroffenen schildert dessen Leidensgeschichte.

 
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Die Auswertung von Abrechnungsdaten aller deutschen Krankenhäuser durch die Wochenzeitung „Die Zeit“, „Zeit Online“, die Funke-Mediengruppe und das Rechercheteam CORRECT!V hat ergeben, dass Ärzte bei gestorbenen Patienten im vergangenen Jahr mehr als 30.000-mal eine Behandlung der drei meistverbreiteten Keime MRSA, ESBL oder VRE abgerechnet haben. Bundesweite Spitzenwerte erreichen demnach der Landkreis Wunsiedel und die Stadt Bayreuth. Ein von MRSA Betroffener und die Tochter eines weiteren Patienten schildern dem Kurier ihre Erfahrungen.

Christian Erhard

Der gebürtige Kulmbacher hat acht Jahre in Deutschland als Krankenpfleger gearbeitet und seit zwei Jahren in der norwegischen Hauptstadt Oslo tätig: „Der Umgang mit MRSA ist hier ganz anders: Jeder Verdachtsfall – alle Patienten aus dem Ausland, alle Norweger, die einige Wochen im Ausland waren – werden vor der Aufnahme in ein Krankenhaus oder Altenheim auf den MRSA-Keim getestet und isoliert, bis das Ergebnis des Schnelltest da ist. Gleiches gilt auch für die Angestellten."

Beim Gesunden kaum zu merken

Christian Erhard schildert weiter: "Ich wurde bei meinem Deutschland-Urlaub wegen einer Muskelverletzung behandelt und musste vor Arbeitsantritt in Norwegen einen MRSA-Test machen. Der fiel leider positiv aus. Woher ich den Keim habe, lässt sich nicht mehr feststellen, vor zwei Jahren bei Arbeitsantritt war der Test noch negativ. Aber ich könnte den Keim trotzdem schon gehabt haben. Beim gesunden Erwachsenen ist er kaum zu merken. Nach einer Sanierung mit Antibiotika wurden bei mir im Wochenabstand drei Tests gemacht, die alle negativ sein mussten, erst dann durfte ich wieder arbeiten.

Trotz Verdachts kein Test

Als ich noch in Deutschland als Krankenpfleger gearbeitet habe, wurde oft trotz Verdachtsfällen kein Test gemacht, Patienten wurden nicht isoliert. In Deutschland geht man zu sorglos mit dem Keim um, denn die Kosten für eine wirksame Bekämpfung wären enorm.

Yvonne Linsner

Yvonne Linsner aus Zapfendorf (Landkreis Bamberg) schildert, wie ihr Vater mit Krankenhauskeimen infiziert wurde: "Mein Vater ist 50 Jahre alt, Dachdecker und vor sechs Jahren in die Region um Lörrach an der deutsch-schweizerischen Grenze gezogen. Er ist zuckerkrank. Als er sich im vergangenen Jahr am Fuß einen Nagel eingetreten hatte, musste ihm der Nagel am kleinen Zeh entfernt werden. Dabei kam offenbar ein MRSA-Keim in die Wunde.

Das Bein amputiert

In einer Notoperation musste ihm danach das Bein amputiert werde. Seitdem geht es meinem Vater sehr schlecht, er ist total deprimiert und hatte auch schon Schlaganfälle. Der Stumpf am amputierten Bein entzündet sich immer wieder. Er kann nicht mehr arbeiten und bekommt nur 600 Euro Rente. Das zahlt er schon Miete für die Kellerwohnung, in der er mit seiner Frau lebt. Gegen die Klinik vorgegangen sind die beiden nicht, sie waren total fertig.“

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