Von wegen „Stoppt die Drogenwelle": Im Vereinsheim der Bayernengel soll es haufenweise Crystal gegeben haben Drogensumpf Bayernengel

Von Thorsten Gütling
Eine Fassade, die nicht hält, was sie verspricht: Der Verein Bayernengel sammelte Spenden, wollte damit Jugendliche über die Folgen von Drogenkonsum aufklären, der Vorsitzende trat sogar in Schulen auf. Ein Mitarbeiter behauptet jetzt: Im Vereinsheim gab es jede Menge Drogen. Drogensüchtige seien ganz bewusst als Mitarbeiter gewonnen worden. Foto: red

Sie sammelten für den Kampf gegen Drogen, dabei sollen sie selbst jede Menge genommen haben: Was eine frühere Mitarbeiterin des Spendenvereins Bayernengel berichtet, belastet den Vorsitzenden schwer. Seit Mitte Dezember sitzt der in Untersuchungshaft, die Staatsanwaltschaft ermittelt unter anderem wegen Betrugs. Die Frau sagt: Das allermeiste hat sich der Vorsitzende in die eigene Tasche gesteckt. Und jetzt ist auch noch von Drogenpartys, Kampfhunden und Berufsschlägern die Rede.

 
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In Bayreuth und Umgebung gingen die Bayernengel ein Jahr lang auf Tour. Mit blauen T-Shirts und Sammeldosen ausgestattet, baten sie um Geld, versprachen, damit Jugendliche über die Gefahren des Drogenkonsums aufklären zu wollen. In der früheren Glashüttener Gaststätte Zum Hirschen, der Zentrale der Bayernengel, haben die Spendensammler alle gewohnt. „Stoppt die Drogenwelle aus Tschechien", steht in großen Buchstaben am Eingang.

Jetzt berichtet eine frühere Spendensammlerin: In dem Haus gab es haufenweise Drogen. Die Sammler seien allesamt selbst drogensüchtig gewesen, wie der Vorsitzende auch. Für die Bayernengel sollen sie gearbeitet haben, weil sie keine Bleibe hatten und im Vereinsheim mit Drogen versorgt worden seien. Der Vorsitzende habe explizit nach solchen Mitarbeitern gesucht, sei nach Nürnberg an den Bahnhof gefahren, um Drogensüchtige davon zu überzeugen, mit ihm zu kommen.

Von gesammeltem Geld gelebt

Von dem Geld, das sie ihm dann sammelten, soll er gelebt haben. Nur etwa ein Zehntel des Geldes sei tatsächlich Hilfsbedürftigen zugekommen. In einigen Dosen seien am Tag bis zu 240 Euro gewesen. Die Frau spricht von Fahrten nach Tschechien, von Drogen- und Sexorgien im Hotel, und davon, dass Mitarbeiter im Zug Crystal zurück nach Glashütten schmuggeln mussten.

Die Frau, die auch der Polizei als Informantin dient, möchte ihren Namen nicht in der Zeitung lesen. Zu oft habe ihr der inhaftierte Vorsitzende mit den Worten gedroht: „Dann werden sich andere um dich kümmern." Im Vereinsheim soll es einen Kampfhund und Berufsschläger gegeben haben. Die Frau spricht von „Käfigkämpfern". Einige Monate hat sie für den Vorsitzenden der Bayernengel gearbeitet, hat im Vereinsheim in Glashütten gewohnt und selbst Drogen konsumiert.

Sie sagt, auch die Polizei sei dort regelmäßig zu Besuch gewesen, habe den Vorsitzenden nach Hilfe gefragt, wenn sie mit Haftbefehl nach Kriminellen suchte. Ähnliches hatte schon der Speichersdorfer Bürgermeister Manfred Porsch berichtet. In Speichersdorf hatte der Vorsitzende gelebt, bevor er 2012 nach Glashütten zog. Weil der Vorsitzende gut reden konnte, konnte er die Beamten davon abhalten, das Haus zu betreten und habe sie stattdessen auf eine falsche Spur geführt. Tatsächlich hätten sich die polizeilich gesuchte Personen oft im Glashüttener Vereinsheim aufgehalten. „Bei mir seid ihr sicher", soll der Vorsitzende gesagt haben.

Sechs Mitarbeiter geflohen

Die zuletzt sechs Mitarbeiter seien seit der Razzia der Kriminalpolizei im Dezember geflohen. Der Vorsitzende steckt in Untersuchungshaft und wurde mittlerweile in die Justizvollzugsanstalt Hof verlegt. Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft: Betrug, Veruntreuung von Spendengeldern und Sozialversicherungsbetrug. Eine für gestern vereinbarte Stellungnahme des Inhaftierten scheiterte kurzfristig daran, dass er seinen Anwalt noch nicht von dessen Schweigepflicht entbunden hat.

Das Vereinsheim sei jetzt leer, sagt die Informantin. Bis auf einen Mann, früher die rechte Hand des Vorsitzenden, der nicht wisse, wohin. Auch die Außenstelle der Bayernengel in der Bayreuther Leopoldstraße sei leer – und soll es immer gewesen sein. Die Immobilie habe nur dazu gedient, in der Stadt einen vertrauensvollen Eindruck zu erwecken.

Wie viel Geld der Vorsitzende veruntreut hat, kann der Leitende Oberstaatsanwalt, Herbert Potzel, noch nicht sagen. Das Finanzamt Bayreuth bestätigt aber auf Nachfrage, dass dem Verein bereits im Oktober vergangenen Jahres die Gemeinnützigkeit aberkannt worden ist. Zu der Frage, wann und warum diese überhaupt anerkannt wurde, will sich Udo Lautenbacher, der Leiter der Behörde, nicht äußern und verweist auf das Steuergeheimnis. Nur so viel: Eine Aberkennung sei sehr selten und Fehler ließen sich eben nicht ausschließen.

Der Vorsitzende ist mehrfach vorbestraft, saß unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung (siehe Bericht „Messerstiche vor 24 Jahren") im Gefängnis. Ein polizeiliches Führungszeugnis müsse man bei der Gründung eines gemeinnützigen Vereins aber nicht vorlegen, sagt Lautenbacher. Die Anerkennung solle schließlich „ohne überzogenen Aufwand" vonstatten gehen.
 

Messerstiche vor 24 Jahren

Der 42-jährige Vorsitzende war nach Kurier-Recherchen schon als Jugendlicher kriminell. Am 25. November 1990 beging er in Pottenstein eine schwerwiegende Straftat. Damals geriet der erst kurz zuvor nach Pottenstein zugezogene 19-Jährige in einem Lokal in der Fischergasse in Streit mit anderen Lokalgästen. Bei der Schlägerei bekam die Gastwirtin Prügel ab. Blutiger Höhepunkt des Streits: der 19-Jährige zog ein Klappmesser und stach es einem 36-jährigen Gast mehrere Male in den Körper. Einer der Stiche war lebensgefährlich, eine Notoperation im Pegnitzer Krankenhaus rettete dem Mann das Leben, heißt es in einem alten Bericht aus dem Kurier-Archiv. Der Täter wurde zunächst wegen versuchten Totschlags verhaftet und im Jahr 1991 verurteilt, wobei das Gericht aber einen Tötungsvorsatz nicht nachweisen konnte: Der Schuldspruch lautete auf gefährliche Körperverletzung, wie Staatsanwalt Potzel jetzt bestätigte.

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