Ausstellung ist ein geordnetes Durcheinander mit einigen Überraschungen Anderes Museum über Günter Grass

Von Ulrike Sommerer

Erinnerung an einen Literaturnobelpreisträger: Das Andere Museum zeigt derzeit Fundstücke zu Leben und Werk des kürzlich verstorbenen Autors. Die Ausstellung selbst gleicht einem begehbaren Zettelkasten. Einer wüsten Sammlung aus allem, was auch nur im entferntesten mit Grass zu tun haben könnte. Romane. Fotos. Reproduktionen von Zeichnungen. Artikel. Wortsammlungen. Skizzen. Arbeitspläne. Eine Ausstellung für Experten.

 
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Joachim Schultz konnte Günter Grass nie leiden. Ekelhaft fand er, was er da las, mehr als nur gewagt. Schultz erinnert sich noch genau, was er empfand, als er in der Schule "Katz und Maus" lesen musste. Übers Masturbieren schreiben? Muss das sein? Die Roman-Ausgabe, ein abgegriffenes Taschenbuch aus dem Jahr 1966, ist heute in seinem Museum zu sehen. Bis August zeigt er dort, was Günter Grass für ihn ist.

Schultz und Grass. Irgendwann hat Schultz Grass sogar einmal getroffen. Das war im Herbst 1980. Paris. Schultz wollte zu einer anderen Veranstaltung, die wegen Bombendrohung abgesagt wurde, was da genau los war, habe er nie erfahren. Bombendrohung also, und Schultz schlenderte durch die Stadt, kam in ein Bistro. "Da saß dann Grass." Schultz sprach Grass, der von Menschen umringt gewesen sei, nicht an. "Ich hatte ja auch gar kein Buch zum Signieren dabei." Ein Schlüsselmoment für Schultz. "Von da an war ich fasziniert von ihm."

Er begann, Grass interessiert zu lesen. Nicht alles, aber vieles. Er nahm Grass als politischen Menschen wahr, als Zeichner, als Autoren. Dass er Grass nun zum Gegenstand einer Ausstellung gemacht hat, genau diese Facetten Grass' darin vorkommen, für die sich Schultz so interessiert, sei eine Idee, die er schon lange mit sich herumtrage. Er sammelte alles, was ihm in die Finger kam. Zeitungen, Zeitschriften, Magazine, die über Grass berichteten. Ausgaben von Grass' Werken. Verlagsprogramme. Zeichnungen. Dann starb Grass. Und Schultz sah den Anlass, die Ausstellung nun wahr werden zu lassen.

Was hat Brausepulver mit Günter Grass zu tun?

Die Ausstellung selbst gleicht einem begehbaren Zettelkasten. Einer wüsten Sammlung aus allem, was auch nur im entferntesten mit Günter Grass zu tun haben könnte. Romane von Grass. Fotos von Grass. Reproduktionen von Zeichnungen von Grass. Artikel über Grass. Wortsammlungen. Skizzen. Arbeitspläne. Seine Todesanzeige. Werbung für ein Brausepulver, weil das doch in der Blechtrommel eine wichtige Rolle spielt. Die Bilder an der Wand zeigen geordnetes Chaos, Schultz verweist augenzwinkernd auf die Kunst dieser Wandgestaltung: russische Hängung. Was an der Wand hängt, oft als Kopie, ist auf den Tischchen vor den Bildern im Original zu finden, kann in die Hand genommen, gelesen, betrachtet werden.

Die Ausstellung ist geeignet für Grass-Kenner: Wer sein Wissen über und seinen Eindruck von Günter Grass vertiefen möchte, ist hier richtig. Die Ausstellung bietet einen Rahmen, einmal wieder ein Werk von Grass in die Hand zu nehmen und gleichzeitig Neues zu entdecken oder sich an Grass zu erinnern (zum Beispiel, dass er sich vehement gegen eine Rechtschreibreform gewehrt hatte).

Die Ausstellung ist geeignet für Grass-Unbedarfte: Wer einen ersten Kontakt zu Günter Grass möchte, ist hier richtig. Die Vielfalt des Autoren wird hier dokumentiert und genau das macht Lust, sich mit dieser vielschichtigen Person vertrauter zu machen.

INFO: Die Ausstellung ist bis 23. August jeden Dienstag und Donnerstag von 13 bis 16 Uhr geöffnet, jeden Sonntag von 11 bis 14 Uhr. Sonntags um 11 Uhr gibt es eine etwa einstündige Führung durch die Ausstellung. Gesonderte Termine, auch für Schulklassen, können unter der Telefonnummer 01577/1589000 vereinbart werden.